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Im Rahmen des Artist-in-Residence Austauschsprogramms von < rotor > verbringt
der armenische Künstler Vahram Aghasyan einen Monat in Graz. Am 19. April
spricht er über die städtischen Entwicklungen in Jerewan, im
Speziellen über die 'Northern Avenue' und ihre Geschichte.
Vahram Aghasyan, geb. 1974, lebt und arbeitet in Jerewan, Armenien.
In Kooperation mit:
Cultural City Network Graz
www.ccn-graz.net
Stadt ohne Zentrum.
Bebauung als krimineller Akt
Vortrag von Vahram Aghasyan am 19. April 2011, 19 Uhr im < rotor >,
in englischer Sparche
Um in Jerewan zwei zentrale Punkte der Stadt (das Opernhaus und den Platz
der Republik) zu verbinden, plante der Architekt Aleksandr Tamanyan in
den 1920ern die 'Northern Avenue' als Teil eines Gesamtkonzeptes für die
Stadt. Dieses Gesamtkonzept spiegelt den Enthusiasmus der 1920er Jahre
wieder, eine gerechte, gleiche und gedeihende Gesellschaft zu konstruieren,
und wurde begleitet vom Wunsch, eine Gartenstadt anzulegen.
Unter dem Einfluss stalinistischer, revisionistischer Politik der 1930er
Jahre wurde begonnen die einst sozialistisch gedachte Stadt in einem neoklassizistischen
Stil zu errichten, und der modernistische Plan beiseite gelassen. Abgesehen
von administrativen Gebäuden und größeren Straßen wurde der Rest des Stadtzentrums
(Nebenstraßen, Gassen und Höfe) jedoch unfertig belassen.
Später führten der Zweite Weltkrieg, Stalins Tod und der Beginn des Kalten
Krieges zur Aufhebung der Bauarbeiten am Zentrum von Jerewan und somit
auch an der 'Northern Avenue'. Selbst bis vor kurzem waren Bautätigkeiten
in diesem Teil der Stadt nicht erlaubt. Die Folgen des Kollaps der Sovietunion
und der armenischen Unabhängigkeit – ökonomische Höhen und Tiefen, Unterbrechungen
in der Elektrizitätsversorgung, des öffentlichen Verkehrs und von Kommunikationsnetzwerken,
sowie ein ‚wilder’ Privatisierungsprozess und die Fragmentierung des öffentlichen
Raums – hatten enormen Einfluss auf die Stadt.
Die 'Northern Avenue' liegt nun im Hauptinteresse gegenwärtiger städtischer
Entwicklungen. Einerseits dient sie wirtschaftlichen Interessen dominanter
Gruppen der Gesellschaft und der Stärkung ihrer politischen Kraft, andererseits
liegt sie mitten in einer Zone der Belebung der Wirtschaft und des Tourismus,
die die Kommodifizierung nationaler Symbole und der Kultur befördern.
Ein hoher Prozentsatz an EigentümerInnen sind Teil der armenischen Diaspora,
die sich nur wenige Monate im Sommer in Jerewan aufhalten und reiche ArmenierInnen,
die Besitz in dieser Gegend als Investition sehen. Zuätzlich sind es häufige
Staus und die kontinuierliche Präsenz von Baustellen-Staub, die die 'Northern
Avenue' als Geisterstadt oder innerer Leere im Zentrum von Jerewan eine
lange Zeit erhalten werden.
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