Abb.:
Anna Jermolaewa
"Ohne Titel (Good Times, Bad Times)
"


>>      Because it’s like that now,
it won’t stay that way *)
[Da es so ist, bleibt es nicht so]

>> in der Galeria Arsenal in Bialystok


Michael Blum, G.R.A.M., Maruša Sagadin / Michael Hieslmair, Anna Jermolaewa, Franz Kapfer, Leopold Kessler, Martin Krenn, Lisl Ponger, Oliver Ressler, Isa Rosenberger, Jun Yang

Kuratoren: Margarethe Makovec + Anton Lederer

Den Katalog zur Ausstellung finden Sie unter unseren Publikationen.

Fotos von der Ausstellung

   


Galeria Arsenal
ul.Mickiewicza 2
15 -222 Bialystok (PL)
www.galeria-arsenal.pl

Eröffnung
: Freitag, 13. Februar 2009, 18 Uhr
Dauer der Ausstellung: 14. Februar - 15. März 2009
Öffnungszeiten: Mo - So, 10 - 17 Uhr


Gesellschaftsordnungen sind endlich. Was heute als die beste aller Formen des Zusammenlebens erscheint, mag schon morgen korrumpiert sein und es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Ablöse durch eine neue Ordnung erfolgt. Zugleich ist damit natürlich der Auftrag verbunden, für die neue, kommende, hoffentlich bessere Ordnung zu arbeiten. Kunst, die sich mit den Herausforderungen der Gegenwart befasst, soll und kann auf das Leben zurückwirken und vor allem eines tun, bewußtseinsbildend wirken. Bewußtsein schaffen für Themen, die in der Öffentlichkeit wenig beleuchtet sind oder wo der Blick aus bestimmten Winkeln fehlt, wo es an Visonärem mangelt, wo die Kunst Ideen mit ihren Möglichkeiten auf einer anderen Ebene transportieren kann, als das z.B. journalistische oder wissenschaftliche Arbeit vermag. Sie kann die Störung des üblichen Gedankenflusses bewirken, die Zerlegung von Mechansimen der Repräsentation zelebrieren, das Auflösen von Stereotypen vorantreiben, das bewußte Wahrnehmen einer Gesellschaft befördern, vor allem auch das Bewußtsein für ein gewachsenes Umfeld, für historische Bezüge und Umfelder, die in der sozial und politisch engagierten Kunst eine bedeutende Rolle spielen. Geschichte wird kontinuierlich neu konstruiert durch den gegenwärtigen Umgang und durch neuerliche Interpretationsversuche. Es gibt genug Bedarf, diese Geschichtskonstruktionen mit den Mitteln der Kunst kritisch zu analysieren, vor allem jene Geschichtskapitel, die zu recht als unaufgearbeitet bezeichnet werden.

Beiträge in der Ausstellung:

Michael Blum, "The Three Failures"
"The Three Failures" ist ein mit Video aufgenommener Vortrag unter freiem Himmel, aufgenommen in drei verschiedenen Städten. Jede dieser Städte repräsentiert das Scheitern eines politischen Systems zu einem bestimmten Zeitpunkt der Geschichte: das historische Scheitern des Kommunismus, das gegenwärtige Scheitern der Sozialdemokratie und das bevorstehende Scheitern des Kapitalismus.

G.R.A.M., "Abdruck honorarfrei"
Seit dem Jahr 1982 sammelt G.R.A.M. Pressefotos aus Politik, Wirtschaft, Kultur und Wissenschaft, die meist geschönte, gestellte Aussschnitte aus dem beruflichen Alltag zeigen. Die Sammlung wird zu Tableaus arrangiert, die viel über Inszenierungstechniken, Werbestrategien, ritualisierte Posen und generell vom Wunsch erzählen, von der Öffentlichkeit wahrgenommen zu werden.

Maruša Sagadin / Michael Hieslmair, "The Rate of Return"
Das Projekt untersucht die Bedingungen von Immobilieninvestment am fiktiven Beispiel eines Bürobaus in Zagreb. Die Handlungsstränge der Akteure von der ersten Idee, über die Planungs- und Bauphase bis hin zur Vermietung des Objekts. Für transnational tätige Investmentkonglomerate versprechen sich gerade im ehemaligen Osten Europas hohe Wachstums- und Ertragsraten.

Anna Jermolaewa, "Untitled (Good Times, Bad Times)" und "Research for Sleeping Positions"
Beide Arbeiten sind am Wiener Westbahnhof entstanden. In der Fotoserie "Untitled (Good Times, Bad Times)" können Tauben dabei beobachtet werden, wie sie auf den Zeigern der großen Bahnhofsuhr je nach Uhrzeit ihre Position einnehmen, während "Research for Sleeping Positions" eine Videoarbeit ist, in der man der Künstlerin beim Versuch zusieht eine geeignete Schlafpositionen auf einer der unbequem konstruierten Bänke in der Bahnhofshalle zu finden. Zudem ist es jener Ort, an dem sie 1989 ihre ersten Wochen im ehemaligen Westen verbrachte.

Franz Kapfer, "Passauer Vignette"
Der Künstler decouvriert mit dieser Videoarbeit die seit zumindest der Wiener "Türkenbelagerung" von 1683 bestehenden Zuschreibungen. Hier die osmanische bzw. türkische Gefahr für das Christentum - dort der österreichische Kaiser (derweil in Passau) und vor allem der große Sieger, der polnische König Jan Sobieski. Diese Muster sitzen sehr tief und lassen noch heute viele im "Abendland" erschauern, wenn darüber nachgedacht wird, was geschehen wäre, wenn die Geschichte anders verlaufen wäre.

Leopold Kessler, "Perforation Kal. 10 mm"
Das Material der mit Video festgehaltenen skulpturalen Intervention sind Straßenschilder, die perforiert werden und danach den Eindruck erwecken, durchschossen worden zu sein. Die subtilen Eingriffe in den öffentlichen Raum stellen die Wahrnehmung der Realität in Frage und uns wird einmal mehr vor Augen geführt, wie stark die uns umgebende Welt konstruiert ist.

Martin Krenn, "Misplaced Histories"
Für die Fotoserie "Misplaced Histories" nimmt der Künstler Gebäude auf, die in der Nazizeit "arisiert" wurden, wie etwa das Riesenrad in Wien oder den Berliner Zoo bzw. Gebäude, die im Zuge der Judenverfolgung eine Rolle gespielt haben und heute drohen in Vergessenheit zu geraten wie etwa das Konzentrationslager Stutthof in der Nähe von Danzig.

Lisl Ponger, "Work on Progress"
Die Doppelvideoprojektion zeigt zwei verschiedene Szenen derselben Inszenierung. Basierend auf dem barocken Vanitas-Bild "Der Traum des Ritters" von Antonio de Pereda hat die Künstlerin das Bild als Tableau vivant reinszeniert und mit aktuellen Bedeutungesbezügen aufgeladen. Wie jeder Gegenstand, jedes Detail Bedeutung trägt, so auch das T-Shirt einer Engelsgestalt mit der Aufschrift "Destroy Capitalism". Der zweite Screen zeigt, wie die auf einem Tisch arrangierten Gegenstände von einer Person mit wenigen Handstrichen abgeräumt werden.

Oliver Ressler, "Fly Democracy"
Die Videoinstallation "Fly Democracy" reflektiert aktuelle theoretische Diskurse über direkte oder partizipative Demokratieformen und verwendet als zentrales Element 10 verschiedene Flugblätter mit Textpassagen verschiedener TheoretikerInnen. Die Arbeit spielt direkt auf die Wortbedeutung "Flugblatt" an und den Abwurf aus der Luft, der bis heute in kriegerischen Auseinandersetzungen eingesetzt wird.

Isa Rosenberger, "Warschauer Nike"
Die Künstlerin hat in Warschau PasantInnen über ihr Verhältnis zur dortigen Nike befragt, ein pathetisches Denkmal des Sieges über Nazideutschland. Die Antworten spiegeln eine Bandbreite wieder, die von großer Verehrung des Denkmals bis zu Geringschätzung und dem Wunsch nach Demontage reichen. Aus den persönlichen Bezügen, die Menschen zu diesem Denkmal aufbauen lassen sich allgemeine Überlegungen über die Aktualität eines solchen Monuments anknüpfen.

Jun Yang, "Camouflage - LOOK like them - TALK like them"
In der Videoerzählung spricht der Künstler von den Anstrengungen von MigrantInnen, am Beispiel der Person X, in einer rassistischen und xenophoben Gesellschaft zu bestehen, zumal dann, wenn es sich um illegalisierten Personen handelt. Als probates Mittel erscheint, in gar keinem Fall aufzufallen, sondern sich anzupassen, sozusagen in der Masse unterzugehen, indem die gleichförmige Mode, Sprache und Bewegungsabläufe genauestens beherrscht werden.

*) aus: Bertolt Brecht, Leben des Galilei

www.galeria-arsenal.pl
www.austria.org.pl


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